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Übersetzung aus dem Italienischen von Barbara Jakel, Perchtoldsdorf, Österreich

Pubblicato su “The International Journal of Prenatal and Perinatal Psychology and Medicine” Vol. 21 N.3/4 2009

Freud`s Interesse an den Erfahrungen, die in frühe Perioden des menschlichen Lebens zurückreichen, wurde immer grösser je tiefer er die Psyche des Menschen analysierte.Sein Forschungslabor bildeten sowohl sein Therapiezimmer als auch das Rohmaterial der freien Assoziationen seiner Analysanden: Gedanken, Bilder, Emotionen, Gefühle, Fantasien und Träume wurden externalisiert und während der täglichen Sitzungen in Worten ausgedrückt (verbalisiert).
Seither hat sich nicht viel verändert, zumindest nicht für jene Experten, die ihre Arbeit gemäss den Lehren des Meisters fortgesetzt haben. Einige von ihnen haben bloss die Methodik modifiziert, indem sie die wöchentliche Frequenz der Sitzungen reduzierten, oder das Setting änderten. Andere dagegen, wie z. B. Mikropsychoanalytiker verlängerten die Sitzungen, um den Widerstand gegen die analytische Arbeit leichter aufzulösen.
Diese Technik war Freud nicht ganz unbekannt, da er sie selbst bei jenen Fällen anwandte, die länger als eine Stunde täglich benötigten; manche Analysanden brauchten mehr Zeit, um „aufzutauen“, im Sinne der kommunikativen Entwicklung.
Später bereicherte sich das Wissen über primäre Erfahrungen aufgrund der gewonnenen Forschungsergebnisse aus der Kinderpsych
oanalyse und der Säuglingsforschung. In den 70-er Jahren erschienen erste Publikationen von A.W. Liley (Neuseeland), N. Peluffo, S. Fanti,
die die Existenz der fötalen Psyche und die Wichtigkeit der intrauterinen Prägungen für die Entwicklung des Individuums bestätigten. N. Peluffos Interesse für das intrauterine Leben konzentrierte sich auf eine bestimmte Dynamik zwischen Mutter und Fötus als Halten und Abstossen definiert; es handle sich um eine ambivalente Beziehung, durch die Gleichzeitigkeit der
implosiven und expulsiven Triebe des Embryos/Feten charakterisiert: Halten und Abstossen.
Diese Hypothese, wie sie Zangrilli beschrieb, wurde durch neuere Forschungsergebnisse in der Immunologie und Biologie bestätigt.
Der ambivalente Wunsch der Mutter gegenüber ihrem Kind es zu behalten und gleichzeitig abzustossen zeige eine somatische Prägung in der Immunreaktion, ausgelöst durch das fremde genetische Erbmaterial.
Nach Zangrilli hängt das Auftreten von psychischen Erlebnissen, traumähnlichen Phantasien über Invasion, Agression und Vernichtung mit der Verhinderung der Reaktion der Abweisung zusammen.
Pionierarbeiten von jenen Psychoanalitikern, die sich mit dem intrauterinen Leben befasst haben, sowie mit den perinatalen und postnatalen Erfahrungen, fanden eine fundierte Bestätigung in den Entdeckungen im medizinischen Bereich. Dank der Anwendung der medizinischen Technik zur Erforschung des embryonalen Lebens wurde nachgewiesen, dass der Fetus ein Wesen im Evolutionsprozess ist, fähig Reize zu „übersetzen“, zu verarbeiten und in einer Haltung wiederzugeben, die eine psychische Bedeutung hat. Trotzdem bleibt in vielen wissenschaftlichen Kreisen ein gewisser Zweifel bezüglich der Fähigkeit zur Kommunikation zwischen Fötus und Mutter. Es wird die Existenz einer solchen Beziehung per se angezweifelt, weil aufgrund der fehlenden Objektwahrnehmung die Fähigkeit zur Identifikation fehle. Der Zweifel bezieht sich konkret auf den Kommunikationskanal, da die üblichen Ausdrucksweisen wie Sprache, Schrift oder Zeichen fehlen.
Diese Frage bezieht sich auch auf die Modalität der Aufnahme der frühen Wahrnehmung in die Psyche, die –später- Erinnerung, Ausdruck und Kommunikation beeinflussen.
Auf diese Fragen versuche ich eine Antwort zu geben. Mit Hilfe von klinischem Material werde ich aufzeigen, wie sich sehr frühe Erfahrungen aus dem intrauterinen Leben sowie aus der Mutter- Säugling Beziehung im Laufe langer micropsychoanalytischer Sitzungen manifestieren.
Traumatische Erfahrungen, insbesondere jene, die während der frühesten Entwicklungsphasen entstanden sind, hinterlassen bleibende Spuren in der Psyche. In den negativen Prägungen werden Gedanken, Bilder und Verhaltensweisen gespeichert, die sowohl im Wachzustand als auch im Traum Assoziationsketten strukturieren und zur Wiederholung in fast identischerArt und Weise tendieren, unabhängig vom Lebensalter und von den Lebensumständen. Der Motor dieser Wiederholung ist der Wunsch, die Wunden endgültig zu heilen, aber jeder Versuch muss in der Spirale des Wiederholungszwanges enden.

In seinem Buch „ Wie die Seele entsteht“ spricht Ludwig Janus von der Aktualisierung der pränatalen und perinatalen Erfahrungen in der Psychotherapie. Der Autor behauptet, dass die Fixierung an den traumatischen Ereignissen die Verhaltensweisen des menschlichen Individuums beeinflusse: das Selbstwertgefühl, die Bindungsfähigkeit, sowie seine emotionale und imaginative Kapazität.
Das „Urscriptum“ kann in die therapeutische Szene übertragen und dort verarbeitet werden.
Die Definition der „Aktualisierung“ ist auch für Q. Zangrilli von grosser Bedeutung, wenn auch in einem etwas anderen Sinn.
Er erwähnt die „ Aktualisierung des menschlichen Psychismus“ in bezug auf die Strukturierung einer neuen psychobiologischen Entität, entstanden durch Anziehung/Abstossen der mütterlichen und väterlichen Genome in Interaktion mit der intrauterinen Umgebung.

Ich bevorzuge eine Verbindung beider Konzepte.

Es ist immer gut mit Freud`s Gedanken zu beginnen: Der Analysand
erinnere sich nicht im Geringsten an vergessene oder verdrängte Inhalte, sondern reaktiviere diese. Er reproduziere jene Elemente nicht in der Form von Erinnerung, sondern in der von Handlungen.
Es ist wohl bekannt, dass, um in der analytischen Arbeit fortzuschreiten, der Analysand sich an die Regel halten sollte, die mit der Verweigerung zum Handeln zusammenhängt. Das impliziert eine Übersetzung in die verbale Sprache jener Erlebnisse aus der Zeit, in der noch keine Ausdrucksmöglichkeit existierte.
Es ist gerade die Existenz von Spuren traumatischer Ereignisse, die eine Person zum Analytiker führt. Auch die Art und Weise wie eine Liebesbeziehung beginnt, widerspiegelt sich in einer Übertragungsbeziehung. Die bewusste Absicht des Analysanden ist zwar die Auflösung seiner Symptomatik oder mehr allgemein seiner Angstzustände verbunden mit dem unbewussten Wunsch jener Konfliktauflösung, welche auf den Kern der traumatischen Fixierung
zurtückgeht. Winnicot spricht von der analytischen Regression, indem er zwischen zwei Arten bezüglich der Triebentwicklung unterscheidet:
1.Die Rückehr zur Urszene- Scheitern der primären mütterlichen
Versorgung
2.Anknüpfen an gute primäre mütterliche Versorgung

Im ersten Fall handelt es sich um eine negative Regression- wie psychotische Fälle mit schweren Bindungsstörungen, im zweiten Fall dagegen um eine positive Regression wie im Falle aller Psychoneurosen.
Winnicot behauptet, dass Freud keinen Erfolg in der Analyse prägenitaler Zustände in der menschlicher Entwicklung aufweissen konnte, weil er keine Fälle von Psychosen mit ausreichendem Material in Bezug auf alle Phasen der Triebentwicklung behandelt hat.
Das gilt nicht für Fälle, die eine starke Fixation an den primären Narzissmus aufweisen- meiner Meinung nach finden nur wenige einen Zugang zur Analyse, weil die Fähigkeit zur Objektbeziehung nicht gegeben ist.
Ich glaube, dass das Konzept der Regression in der Analyse gemeinsam mit dem der Wiederholung betrachtet werden sollte.

Was man beobachten kann, ist in Wirklichkeit eine Fluktuation zwischen mehreren Entwicklungstadien, die in den freien Assoziationen und in der Übertragung zu finden sind, wir können jedoch die Fälle von acting out nicht ausschliessen. Während längerer Sitzungen manifestiert sich klar diese Dynamik. Im Laufe von 2-3 Stunden beobachtet man die verschiedenen Entwicklungsstadien mit wiederholten Versuchen einer Annäherung an den traumatischen Kern, worauf genauso viele Rückzugbewegungen erfolgen, bis zum Auftreten der Übetragungs- Gegenübertragungssituation. Auf diese Weise werden assoziativ jene traumatische Kernsituationen übertragen, die die Integrität des Analysanden sonst bedrohen würden. Das bewirkt die Reproduktion und Wiederholung des Traumas innerhalb der analytischen Beziehung und ermöglicht ihre Bearbeitung.
Daraus schliesse ich, dass der Ausdruck „ Aktualisierung“ nicht nur die Fähigkeit zur Erinnerung betrifft, sowie die Externalisierung
des Traumas selbst, sondern vor allem die Befreiung aus der Verdrängung der Urszene und der Angstzustände im Zusammenhang mit der prä- und perinatalen Traumatisierung innerhalb des analytischen Settings.
Aus meiner Sicht kommt es in der Analysand- Analytikerbeziehung zu einem Austausch von Phantasien. Das gibt Raum für ein existenzielles Erleben ähnlich der intrauterinen Situation im emotionalen Aspekt; auf der bewussten Ebene manifestiert sich das durch Fantasmen und sexuell- agressive Phantasien. In den intensivsten affektiven (energetischen) Momenten können durch die Elemente des Wiederholungszwanges reale Ereignisse und Träume dazukommen, die einen Gegenpol zu der Stagnation der intrauterinen Verschmelzung bilden. Diese Situation kann Momente grossen Schmerzes hervorrufen, doch gleichzeitig zu der Entstehung neuer erlösender Lebensimpulse beitragen. Die Neutralität des Analytikers ermöglicht dabei die Verankerung in der Realität, Erkenntnis und Verarbeitung. Wie Freud lehrte, es sei gerade die Arbeit an der Aufdeckung in der Übertragungssituation, die die grössten Veränderungen bewirkt. So unterscheide sich die Psychoanalyse von anderen suggestiven Therapien.
Bevor ich das klinische Material präsentiere, und damit zum leichteren Verständnis aller Konzepte beitrage, versuche ich einige Punkte zu beleuchten.
Oft machen Analysanden explizite Annäherung an die prä- und perinatalen, sowie frühe postnatale Erlebnisse hervorgerufen durch Assoziation aus einem Traum, Film, ein reales Ereignis usw.
Ihre zunehmende Häufigkeit – auf der bewussten Ebene- erklärt sich durch die Verbreitung von Methoden der pränatalen Analyse und das Wissen über das fötale Leben, sowie aus den Ergebnissen der Säuglingsforschung. Auch die Techniken der pränatalen Forschung und Informationen über das fötale Leben tragen dazu bei.
Gewöhnlich kommen die Sätze in Form von Fragen, weil solche Erfahrungen im Moment des Auftretens nicht kommuniziert, geschweige denn verbalisiert werden konnten. Manchmal jedoch pflegen sich die prä- und perinatalen Erfahrungen zu manifestieren als getarnt projektive Abwehr, um den Analytiker zu erfreuen. Ich denke, dass die Abwehr des Analysanden das aktuelle Material nur zu oft umgeht und bezieht sich nur auf Erfahrungen aus der Vergangenheit. Je weiter sie zurückreichen, desto mehr sieht sie der Analysand als wichtig und nützlich für den Fortschritt in seiner Analyse.
In den meisten Fällen ist der Bezug zum intrauterinen Leben nicht direkt möglich, er kommt eher in einer assoziativen oder metaforischen (bildhaften, übertragener) Weise zum Ausdruck.
Das wird aktiviert durch Lebenssituationen von existenzieller Qualität- im Arbeitsbereich, Familie,in der Liebe oder in der analytischen Situation. Sie aktivieren Assoziationsketten sowohl im Traum als auch im Wachbewusstsein. Ihr Leitmotiv scheint der Modus der Anziehung/Flucht von der ursprünglichen existenzieller Sicherheit im Mutterleib zu sein, wegen der Gefahr für die
Integrität des Subjekts.
Zum ersten präsentiere ich den Fall eines jungen Mannes in einer fortgeschrittenen Fase der Analyse. Ihm ist es gelungen, seine Freundin zu einer Analyse bei mir zu überreden und sie willigte ein.
Die Einführung des dritten Elementes in die Therapie (die Freundin) war zwar ein aktuelles Ereignis , das die Assoziationsketten im Traum und Wachbewusstsein induziert hat; sichtbar wurde einerseits sein Pendeln zwischen dem Wunsch zur Distanz/Befreiung von der gefährlichen Rivalin als Objekt, andererseits sein Wille sie zu behalten.
Das dritte Element loszuwerden, bedeutete die Regression in eine symbiotische Beziehung. Das hätte ihn in eine Einsamkeit gestürzt oder in eine unendliche Analyse, während sein Halten am dritten Element durch das Trauma im Sinne des Wiederholungszwanges reaktiviert wurde.

In folgendem Traum wird das Pendeln zwischen den beiden Triebtendenzen am besten erkennbar:
M. (die Freundin) und ich waren auf den Fahrrädern unterwegs, einer hinter dem anderen. (Übertragungsbeziehung: der Analytiker sitzt normalerweise in einiger Entfernung hinter dem Analysanden).
Die Räder verwandelten sich in Motorräder- während der Fahrt erzählt mir M. von ihrem Exfreund, der sie mit einem sehr grossem Penis befriedigt hatte. Ich will das gar nicht wissen, denn ich will sie unbeeinflusst lieben können, daher entscheide ich mich Gas zu geben, um sie loszuwerden. Ich versuche es, doch der Gasdrehgriff läuft leer, reisse den Hebel weg, und schaffe es Gas zu geben. Dann merke ich, dass die Kurve mit dieser Geschwindigkeit nicht mehr zu schaffen ist, gerate daher in eine andere Spur. Denke mir:
“ Weswegen soll ich mein Leben für eine Frau riskieren?“
In der Arbeit mit Assoziationen ist er berührt von den Erinnerungen an schöne Momente der Einsamkeit, die er kürzlich erlebt hatte, als er sich seinen Lieblingsbeschäftigungen hingab (zu Sitzungen zu gehen war für ihn angenehm)

Dann erinnert er sich an lustvolle Momente als Kind, als er zwischen den Feldern herumlief oder an die Freude am Tauchen. An diesem Punkt kann er nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden. Er sagt: „ Ich erinnere mich an einen Traum unter Wasser, wo ich einen Atemzug durch den Mund machte und merkte, dass ich trotzdem atmen konnte. Das Wasser schien mein Naturelement zu sein.“
Es kamen Assoziationen als Erinnerung an intensive Empfindungen
der Gemeinsamkeit in der Gesellschaft eines alten Weisen erlebt- die ihn an die Glückseligkeit des Stillzeit erinnerten.
Meine Interpretation ist: Der Analysand ruft auf diese Weise Gefühle aus seiner pränatalen oder frühen postanatalen Zeit ab.
Es waren Momente, wo die Entspannung nur durch die Union zwischen Muter und Fötus oder Kleinkind mittels der Einheitsbindung abgesichert werden konnte- eine Lösung für die Befriedigung primärer Bedürftigkeit, nicht zuletzt eine Garantie für das Überleben.
In dieser Entwicklungsphase kann man noch nicht von der Aktivität des Objekts ausgehen, nicht einmal von der Wahrnehmnung der eigenen Bedürfnisse, sondern eher von den blossen Empfindungen der Lust oder Unlust.
Das hängt zusammen mit der Erreichbarkeit des Objekts und damit der Entspannung oder -im konträren Fall -der Spannung.
Dem dargelegten Assoziationsmaterial wird
der Ausdruck von Gedanken und Phantasien mit sexuellem Hintergrund bezüglich des Betrugs der Geliebten gegenübergestellt. Die Fantasie über den Rivalen (der/die Dritte in der Beziehung) gewinnt einen Verfolgungscharakter und bedroht die physische und psychische Integrität des Subjekts. Die Präsenz des Rivalen macht es notwendig, sich in Sicherheit zu bringen,d.h. sich vom Liebesobjekt zu distanzieren. „Wozu das Leben riskieren?“ fragt sich der Analysand.
Die Flucht zum narzistischen Rückzug scheint der einzige Ausweg zu sein, doch gleichzeitig entsteht die Gefahr einer sterilen Beziehung, welche dem Lebenstrieb gegenüber dem Objekt und der Fortpflanzung widerspricht. In Wirklichkeit, auf der Ebene des Sexualtriebes, ist eine solche Bewegung als Regression von der erwachsenen fallischen Heterosexualität zu verstehen zwecks Reproduktion bis zur prägenitalem Autoerotik und daher bis zum Masturbationsstadium. Der Gedanke ist zulässig, dass die Notwendigkeit der Reproduktion durch Sexualität das menschliche Wesen zur Vernachlässigung der narzisstischen Tendenzen treibt, sowie zum Betreten des ödipalen und später des familären und sozialen Dreiecks. Das Hinzukommen des Dritten könnte in der symbiotischen pränatalen und neonatalen Beziehung mit den Erfahrungen der sexuellen Gewalt zusammenhängen, welche die Mutter auf physische oder psychische Art erlebt hatte, sowie mit den Erfahrungen der Trennung oder Verluste. Das verursacht einen Riss in der Homäostase und wird als Bedrohung einer gewissen psychobiologischen Integrität erlebt.
Es entsteht die psychische Spur einer Gewalterfahrung des Eindringens, der Überwältigung und Vernichtung- jederzeit reaktivierbar, getriggert im Leben des Objekts durch ähnliche
affektive Situationen.
Die Reaktion des Rückzugs zwingt das Objekt zur Bestrebung den Rivalen zu eliminieren. Sie wird in narzistischer Weise erlebt als
Angst vor dem Agressor und nährt das unbewusste Bedürfnis nach dem Verfolger.
Ich möchte jetzt einen nächsten Fall präsentieren. Es handelt sich um ein Mädchen, das sich der Mikropsychoanalyse zu verschiedenen Zeiten unterzogen hat.
Jene Therapiestunden, denen ich das Material zur Fallklärung entnehme, betreffen eine fortgeschrittene Phase der analytischen Arbeit, von der Wiederkehr der Verdrängung bis zur Aufdeckung der inzestuösen Beziehung mit beiden Eltern.
Damals bearbeiteten wir zahlreiches Assoziationsmaterial
betreffend der sexuellen Agressivität der Analysandin, das heisst sexuell gefärbte Wünsche nach der oralen Vereinigung abwechselnd mit der Mutter und mit dem Vater.
Ich möchte darauf hinweisen, dass während der vorangegangenen Phasen der Analyse (ein Jahr vorher) ich selbst im fünften Monat schwanger war und meine Patientin dies völlig ignoriert hat. Sobald wir die Arbeit wiederaufgenommen hatten, wurde die Bearbeitung des inzestuösen Materials möglich. Sie konnte sich an frühere Erfahrungen erinnern, die durch die Übertragungsbeziehung reaktualisiert wurden.
Darüberhinaus, während einer Geschäftsreise, als ihr Haus voll von Verwandten war,entstanden bei ihr Gefühle der Bedrohung durch Eindringen. Um dieser untragbaren Atmosphäre zu entkommen, suchte sie verzweifelt nach einer Lösung.
Sie hatte einen Traum, in dem die Analitykerin noch immer ein Bauch hatte, und in Ohnmacht gefallen ist. Dann sah sie ein Flugzeug mit einem riesigen Bauch- so als ob das Flugzeug selber schwanger wäre- brennend abstürzen. Sie war um die Menschen in dem Flugzeug besorgt und lief um Hilfe.
In ihren Assoziationen in Bezug auf die sexuelle Agressivität, durch ein stricktes Super- Ego zurückgehalten, imponierte die Kontrolle des Beziehungslebens und der sozialen Position. Dies war eine innere Stimme, die sie nicht näher benennen konnte.
„Ich denke, dass diese Bedeutung für einen abgespaltenen Teil von mir steht, so ähnlich wie der riesige Bauch des Flugzeugs; eine schwangere Frau zu einem Zeitpukt der Geburt…mir gelingt es nicht, das Kind wie ein freudiges Ereignis zu empfinden, aber als etwas von innen her Verschlingendes, dass jede Energie aussaugt… die Schwangerschaft sehe ich als etwas Schreckliches, habe eine enorme Angst um das Flugzeug, weil man bei einem
Absturz nicht entkommen kann…als ich dort war, dachte ich: Das sei wirklich ein Gefängnis, eigentlich wie in dem grossen Bauch…ich kann nichts tun,kann nur auf die Befreiung warten, hoffend darauf, dass mir die Mutter in der Zwischenzeit nichts Böses antut.
Vielleicht wäre es eine Befreiung für beide, dann aber ist man doch noch nicht unabhängig, aber es wäre weniger erstickend, dieser Bauch ist so verletzlich…ich fühle mich erstickt, mir geht die Luft aus, ähnlich dem Gefühl, als mich meine Mutter zu umarmen pflegte… es gab keine andere Möglichkeit, als abzuwarten, wie in jener Höhle damals auf der Insel, als ich mit dem Kopf gegen die Wand rennen wollte; wenn ich schon nahe am Auszucken bin, werde ich wild wie eine Bestie und tue mir selber weh, wer weiss ob man sich dabei gefärdet fühlt…wenn man im Inneren des Mutterleibes ist.
Ich stelle mir meine Mutter vor, wenn sie zu laufen beginnt, wobei das Kind wahrscheinlich in Alarmbereitschaft geraten wird, es sieht nichts, genauso wie im Inneren des Flugzeugs, jede kleinste Bewegung könnte ein Attentat auf das eigene Leben bedeuten. Wer weiss, was passiert während sich die Eltern lieben…
Ob es das Kind spürt, wie erlebt es? Ob es eine Gefahr, ein Eindringen darstellt? Vielleicht ist für das Elternpaar das Kind der Eindringling und für das Kind ist der Vater ein Eindringling, wie ein Fremdkörper zwischen mir und meiner Mutter, ich fühle mich missachtet, wie können sie das nur tun, während ich dort bin, mir scheint, als ob ich dabei gewesen wäre.“
Entsprechend der Reaktivierung der psychobiologischen Entwicklung bekommt der Verfolger verschiedene Gesichter: einmal als Projektion auf die Mutter, ein anderes Mal auf den ödipalen Vater in der fallischen Phase, dann wieder auf das Selbstobjekt (Mutter und ich), dann wieder auf den intrauterinen Vater, wie ein die fötale Homöostase störender, eindringender Penis zu verstehen.
Der nächste Schritt bei der Verarbeitung dieses Materials war die Projektion auf den Analityker: „Das ist der einzige Ort, wo er nichts zu sagen hat. Sicherlich kann ich mir vorstellen, dass er zuhört, mitschreibt, Notizen macht, wie Sie es tun.
Wenn er es in der Hand hätte, alles, was Sie mitschreiben, ich wäre verurteilt.
Am Anfang dachte ich, Sie hätten diese Kontrollfunktion übernommen, als könnten Sie meine Gedanken lesen. Ich spreche von der Stimme, doch im Endeffekt von meiner Stimme, in Wirklichkeit sehe ich mich selbst, es ist wie ein strenger Teil von mir (Über-Ich)“.
Die Analyse dieses Falles wurde einige Tage nach dem vereinbarten Termin abgeschlossen; die Analysandin hat mich um eine kleine Velängerung der Analyse gebeten,die sie brauchte um ihre psychische Geburt abzuschliessen. Das Kind wurde quasi zu früh geboren, weil seine Mutter gegen Ende der Schwangerschaft diese nicht mehr ertragen konnte. Es ist ihr gelungen, die Zustimmung zur Einleitung der Wehen zu bekommen. Es war nicht ohne Komplikationen, da das Baby mit Hilfe von einer Saugglocke herausgezogen werden musste. Kurz nach der Geburt erkrankte die Mutter. Bei ihr wurde eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert.
Peluffo schreibt dazu:“ Der Analysand wiederholt seine intrauterine Zeit durch konkretes Erleben , durch Halluzinationen und Fantasien des Fetus. Der Analytiker antwortet parallel mit der Wiederholung der intrauterinen Beziehung. Das ist keine Kommunikation über das Wiedererlebte, sondern ein gleichzeitiges Wahrnehmen der traumatischen Momente.Der Unterschied zwischen dem Analysanden und dem Analityker (abgesehen von der Reduktion der emotionalen Spannung beim Analysanden), beruht darauf, dass der Analityker oft fähig ist, die sekundäre Verarbeitung der kindlichen Erlebnisse zu analysieren, sowie sehr oft der Analysand imstande sein wird nach dem Ende der Analyse die Eigenanalyse selbst zu machen.

Zusammenfassung:
Ungeachtet zahlreicher Untersuchungen von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen wird der Einfluss pränataler Traumatisierung sowohl auf die physische als auch auf die psychische Aspekte des Lebens des Menschen noch immer in Zweifel gezogen. Die Problematik bezieht sich auf den Modus der Speicherung primärer Erfahrungen in der Psyche, d.h. auf die Frage, wie diese frühesten Erfahrungen erinnert, ausgedrückt, sowie kommuniziert werden können. Die Autorin verwendet den
Ausdruck „Realisierung“ nicht nur in Bezug auf mnemische Erinnerungen und Externalisierung traumatischer Erfahrungen, sondern auch auf die Rückkehr der verdrängten Urszene, sowie der Angstzustände im Zusammenhang mit prä- und perinataler Traumatisierung innerhalb des analytischen Settings.
Sie stellt fest, dass es in der analytischen Beziehung zu einem „Zusammenprall“ von Phantasien und Bildern kommt, die existenzielle Ereignisse und Erfahrungen aus der intrauterinen
Zeit repräsentieren.
Diese Dynamik manifestiert sich innnerhalb langer mikropsychoanalytischer Sitzungen klar und deutlich. In den Sitzungen mit der Frequenz von zwei- bis dreimal pro Woche
kann man verschiedene Entwicklungsstadien beobachten. Sie sind charakterisiert durch wiederholte Bewegung/Annäherung des Patienten in Richtung des traumatischen Kerngeschehens, gefolgt von Rückzug, bis sich in der Übertragung- und Gegenübertragungssituation ein Ungleichgewicht in der Homöostase ankündigt, welches assoziativ an die traumatische Situation anknüpft.

© Bruna Marzi

Vortrag von Dr. Bruna Marzi, Psychologin und Mikropsychoanalytikerin, Bergamo/ Italien gehalten am 6 Dezember 2008, in Capo d`Orlando, Sizilien, an der Jahreskonferenz des Italienischen Institutes der Mikropsychoanalyse z.T. “Die ersten Mutter-Kind Interaktionen“

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Abstract:

Lange Sitzungen in der Mikropsychoanalyse bilden ein ansprechendes „Forschungslabor“ zur Realisierung (Wahrnehmung) von pränatalen und perinatalen Traumatas. In der Beziehung zwischen Analytiker und Patient findet ein Austausch („Zusammenprall“) von Phantasien statt, bezogen auf existenzielle Ereignisse, ähnlich der intrauterinen Situation.

Keywords:

Realisierung (Wahrnehmung) perinataler Traumatisierung, intrauterine Verschmelzung, maternale Ambivalenz abzustossen/ zu behalten, immunologische Reaktionen

Literatur

S. Freud: “Al di là del principio di piacere” (1920) vol. 9 ed. B. Boringhieri, Torino
1980
S. Freud: “Dinamica della traslazione” (1912) vol. 6 ed. B. Boringhieri, Torino 1980
S. Freud: “Osservazioni sull’amore di traslazione” (1914) vol. 7 ed. B. Boringhieri,
Torino 1980
S. Fanti: “La micropsicoanalisi” ed. Borla, Roma 1983
L. Janus: “Come nasce l’anima – la nostra vita psichica prima e dopo la nascita” ed. Mediterranee, Roma 1997.
A. W. Liley: “The fetus as a personality” Australian and New Zealand Journal of Psychiatry, 1972 Vol. 6: 99.
D. Winnicott: “Dalla pediatria alla psicoanalisi” Giunti Editore, dodicesima edizione 1998
N. Peluffo: “Micropsicoanalisi dei processi di trasformazione” Books’ Store, Torino 1976
N. Peluffo: “La situazione” Bollettino dell’ist. Italiano di micropsicoanalisi n° 5 1987
Q. Zangrilli: “La guerra intrauterina. Le ipotesi della micropsicoanalisi trovano conferma nella biologia evoluzionista” Rivista multimediale Scienza e psicoanalisi, 1 gennaio 2007.